Mitte der 80er Jahre erschuf Oliver Stone mit „Platoon“ einen der bis heute meist beachteten Kriegsfilme überhaupt. Fortan galt Stone als das kritische Gewissen Amerikas, das nicht davor zurückschreckt, die Heldentaten historischer Persönlichkeiten zu hinterfragen. Mit Filmen wie „JFK – Tatort Dallas“ oder „Nixon“ pflegte Stone auch in den 90ern sein Image und mauserte sich zu einem der renommiertesten Hollywood-Regisseure überhaupt.
Im neuen Jahrtausend konnte Stone allerdings nicht mehr an die Erfolge früherer Tage anknüpfen. Unlängst bewies er mit „Wall Street: Geld schläft nicht“, dass ihm der Biss vergangener Tage ein wenig abhandengekommen ist. Mit den Drehbüchern zu Brian De Palmas „Scarface“ oder Michael Ciminos „Im Jahr des Drachen“ hat er sich zudem als Drehbuchautor einen Namen gemacht. Für das Skript zu „Midnight Express“ gewann er 1979 den Oscar.
Die besten Oliver Stone Filme
Platoon
Oliver Stones „Platoon“ ist neben Coppolas „Apocalypse Now“ wohl zweifellos der wichtigste Anti-Kriegsfilm über den Vietnamkrieg. Doch während „Apocalypse Now“ den Kriegszustand für eine tiefgreifende individualisierte psychologische Studie zweckentfremdet, verbleibt Stones Werk innerhalb der Genreabgrenzungen. Dabei konzentriert sich der Film jedoch nicht so sehr auf die Kampfhandlungen und kaum vorstellbaren Gräueltaten, sondern vielmehr auf deren Auswirkungen auf die sozialen Strukturen innerhalb der kämpfenden Truppe. So werden die Soldaten bald untereinander zu Feinden und führen ihre Aufgabe, nämlich einen außenstehenden Gegner zu besiegen, ad absurdum. Dabei schreckt Oliver Stone nicht davor zurück, den Irrsinn des allgegenwärtigen Krieges in ausufernde Drogen- und Alkoholexzesse übergehen zu lassen, von denen sich die Soldaten die nötige Betäubung ihres in Verwirrung geratenen Bewusstseins erhoffen. Es eröffnet sich dem Publikum ein wahrer Höllentrip, in dem Tod und Rausch zu Verbündeten werden und ihre Opfer fordern.
Es gibt wohl nicht viele Filme, die sich mit „Platoon“ messen können. Daher sei das düstere Meisterwerk allen empfohlen, die es bisher noch nicht gesehen haben. Um Oliver Stones Vietnam-Sicht in seiner Gänze erfassen zu können, macht es darüber hinaus Sinn, sich die beiden weiteren Teile seiner Vietnam-Trilogie zu Gemüte zu führen. „Geboren am 4. Juli“ und „Zwischen Himmel und Hölle“ reichen zwar nicht an die Qualität von „Platoon“ heran, schärfen allerdings den Blick für die Umstände während des Vietnamkrieges.
Wall Street
In Zeiten, in denen Charlie Sheen endgültig zu einer Witzfigur verkommen ist und nach seinem Rausschmiss bei „Two and a Half Men“ in aller Regelmäßigkeit mit grotesken Auftritten für ungläubiges Staunen sorgt, erinnert sich der geneigte Cineast wehmütig an die Zeit, in der Charlie Sheen unter den Fittichen von Oliver Stone zu den aufstrebenden Jungschauspielern seiner Generation gehörte. Nach seiner Rolle in „Platoon“ schien er bereit, in die großen „Apocalypse Now“-Fußstapfen seines Vaters zu treten. Und mit Oliver Stones „Wall Street“ ließ sich der Karriereweg bestens an.
Das Yuppie-Drama über Raffgier und den unkomplizierten Weg zu schnellem Geld sorgte Zeit seines Erscheinens für großes Aufsehen und gehört heute längst zu den großen Klassikern des 80er-Kinos. An der Seite des brillant aufspielenden Michael Douglas ist es nicht zuletzt die von Charlie Sheen ausgehende Energie, die „Wall Street“ eine unvergleichliche Wucht verleiht, welche den Film bis heute zu einem Highlight des Genres macht. Umso bitterer ist es, was aus Charlie Sheen geworden ist.
Obwohl Oliver Stone im Laufe seiner Karriere mehrfach betont hatte, kein Sequel zu einem seiner Filme drehen zu wollen, kam 2010 mit „Wall Street: Geld schläft nicht“ der offizielle Nachfolger des 80er-Hits in die Kinos. Trotz eines wieder überragenden Michael Douglas zündete die Finanz-Kritik dieses Mal aber nicht so recht. Die 80er sind eben schon eine Weile her.
Natural Born Killers
Was ist nicht alles geschrieben und gesagt worden über Oliver Stones vielleicht streitbarsten Film. Das Thema der selbstreflexiven Gewalt- und Medienkritik, die dem Amoklauf der Knox’ zugrunde liegt, wurde im Laufe der Jahre in ganzer Bandbreite kritisch erschöpfend dargelegt, wenngleich das vereinzelt Verwirrte nicht davon abhielt, ihren vermeintlichen Vorbildern in der Realität nachzueifern. Stones Film aber ist vor allem in visueller Hinsicht ein Meilenstein, da die Bilder an sich dem eigentlichen Inhalt in Nachhaltigkeit und Bedeutung den Rang ablaufen. Beinahe 3000 Schnitte im Gegensatz zu nicht einmal 1000 in üblich gedrehten Filmen sprechen eine deutliche Sprache. Natural Born Killers ist eine von rauschhaften Fragmenten gestützte Collage des unbedingt Abstrusen, die auch gänzlich ohne nachvollziehbare Story – die im Übrigen aus Quentin Tarantinos Feder stammt – ihre verstörende Wirkung nicht verfehlt hätte.
Ob Pop-Art, schwarz-weiß oder Handkamera – alles Gegensätzliche, alles Überschneidende und sich selbst Widersprechende fügt sich in einen überbordenden Bildersturm, der letztendlich erster Zeuge des Wahnwitzes ist, dessen Ursprung eben in Gewalt und unreflektiertem Voyeurismus fußt. Man müsste beinahe annehmen, Oliver Stone habe versucht, einen im visuellen Sinne unerträglichen Film zu drehen, um seine Botschaft der degenerierten Medienlandschaft mehr im übertragenen Sinne wirken zu lassen. Ganz nach dem Motto: Nur wer Natural Born Killers aus tiefstem Herzen verabscheut, der hat auch richtig verstanden – selbst wenn er es nicht einmal wollte.
U-Turn
Oliver Stones 90er-Machwerk bringt so einige Annehmlichkeiten mit sich. Wird man nämlich gefragt, ob man denn einen guten Film mit Jennifer Lopez kenne, kann man guten Gewissens „U-Turn“ antworten und muss nicht verschämt zugeben, dass „Anaconda“ besser ist als sein (miserabler) Ruf. Doch auch ohne J. Los enganliegende Jeans wäre „U-Turn“ einer besonderen Erwähnung wert, da der Film gewissermaßen ein Unikat ist. Ein Oliver Stone-Unikat. Fern ab nämlich von Politik, Biografie und Medienschelte verstrickt sich der toll aufspielende Sean Penn in einen Neo-Noir-Western, der vor unerwarteten Wendungen nur so strotzt und den Zuschauer bis zuletzt bei der Stange hält. Hier könnte jeder der einzige Überlebende sein – oder der nächste Tote. Beinahe herzerfrischend überlässt Stone in zuweilen kuriosen Einstellungen seinen Film sich selbst und gibt ihm nichts anderes mit auf den Weg, als staubig und cool zu sein. Und irgendwie hat er sich dafür auch noch die richtigen Schauspieler ausgesucht.
Nick Nolte als Grobian, Billy Bob Thornton als schmieriger Mechaniker in einer Nebenrolle und die schöne Miss Lopez als begehrenswerte Diva – hier spielt irgendwie jeder sich selbst. Außer Sean Penn natürlich, der als sympathischer Verlierertyp alles versucht, Grace für sich zu gewinnen, und wenn er dafür sein Leben aufs Spiel setzen muss. „U-Turn“ gehört mit derartigen Voraussetzungen sicherlich nicht zu den tatsächlich wichtigen Filmen dieser Welt, aber das eben ist seine Qualität – und mit den kultigen Neo-Noirs eines John Dahl etwa nimmt der Film es alle Male auf.
Filmografie: Alle Filme von Oliver Stone
1974: Die Herrscherin des Bösen
1981: Die Hand
1986: Salvador
1986: Platoon
1987: Wall Street
1988: Talk Radio
1989: Geboren am 4. Juli
1991: The Doors
1991: John F. Kennedy – Tatort Dallas
1993: Zwischen Himmel und Hölle
1994: Natural Born Killers
1995: Nixon – Der Untergang eines Präsidenten
1997: U-Turn – Kein Weg zurück
1999: An jedem verdammten Sonntag
2004: Alexander
2006: World Trade Center
2008: W. – Ein missverstandenes Leben
2010: Wall Street: Geld schläft nicht
2012: Savages
2016: Snowden